Freitag, 18. November 2016

Mensch ärgere dich nicht




Ich und die anderen Verkehrsteilnehmer


Um es vorneweg zu nehmen, im Strassenverkehr geht ab und zu das Temprament mit mir durch. Eine Seite, die ich von mir sonst eher weniger kenne, sehe ich mich selbst doch viel mehr als ruhigen und rational denkenden Menschen. Aber auf der Strasse vergeht kaum ein Tag, an dem mein Puls nicht auf 180 springt. Mit ein Grund wird wohl die Tatsache sein, dass ich als Motorradfahrer keine schützende Blechdose und somit keine Knautschzone um mich habe. Man fühlt sich mitunter sehr verletztlich gegenüber der wachsenden Zahl an schalldichten, übermotorisierten SUV Bolliden. Die jährliche Zunahme der Verkehrsteilnehmer macht das Ganze nicht besser, im Gegenteil.

Fahrspasspause wegen Traktor.
Der Freiheit auf zwei Rädern, von der wir Motorradfahrer oft schwärmen, werden leider immer mehr Grenzen gesetzt. Nicht etwa durch den Staat und seine Gesetze, nein, in Zeiten, in denen es sich fast jeder leisten kann mit einem Fünplätzer auf vier Rädern alleine von A nach B zu fahren, bleibt auf den heimischen Strassen kaum noch Platz für diese Freiheit. All zu oft verstopfen notorische Überholspurfahrer mit sage und schreibe 100km/h schon den Weg zum nächsten Pass. Nach dem dir mindestens einer die Vorfahrt im Kreisel genommen hat dort angekommen, schleichen drei Holländer, ein Franzose und fünf Deutsche vor dir mit 20km/h um die Kurven. Überholen ist nicht möglich, da der Holländer aus Angst vor dem Abgrund in der Mitte fährt, der Franzose seinem Vordermann so dicht auffährt, dass keine Lücke frei bleibt und die Deutschen auf 100km/h beschleunigen, sobald die Strecke eine Gerade aufweist, die dieses Tempo zulässt. Vom Gegenverkehr will ich gar nicht anfangen zu sprechen. Es gibt offenbar ein Naturgesetz, dass besagt: Wenn der Streckenverlauf ein Überholmanöver zulässt, kommt dir mit Sicherheit was entgegen.

Hast du es nach unzähligen Kilometern dann doch endlich geschafft an der Bummelkolonne vorbeizukommen, "steht" nach der nächsten Kurve ein Traktor auf der Strasse. Natürlich mit breitem, voll beladenem Anhänger der dich zwingt bei 30°C das Visier zu schliessen damit du kein Heu in die Augen kriegst. Das fahrende Viefutter hinter dir gelassen und schon  fast auf der Passhöhe angekommen, triffst du letztendlich auf den einheimischen Hobbyrennfahrer, der dir zeigen will, dass er mit vier Rädern genau so schnell kann wie du auf zwei. Dass er dabei jede Kurve schneidet und das Leben deiner entgegenkommenden Artgenossen gefährdet, scheint dabei nebensächlich.


Alle anderen wollen mich umbringen!


Freundlich grüssend auf der falschen Spur.
Natürlich ist das alles klischeehaft und überspitzt dargestellt. Wer aber an Wochenenden im Sommer und bei schönem Wetter schon mal in den schweizer Apen unterwegs war, wird die eine oder andere Situation nur all zu gut kennen. Ich hege gar den Verdacht, dass all die Motorradfahrer die man auf der Passhöhe antrifft, sich einzig und alleine von den Strapazen der letzten 10-20km erholen und nur zum Schein die Kamera zücken um ihre Motorräder und die Landschaft zu fotografieren. 

Inzwischen habe ich gelernt damit umzugehen. Da ich sowiso immer davon ausgehe, dass mich alle anderen Verkehrsteilnehmer umbringen wollen (siehe Tipps für Fahranfänger #4-6), bin ich entsprechend aufmerksam und bremsbereit. Gegen Schleicherkolonnen hilft es rechts ranzufahren, sich 10min eine Pause zu gönnen und den Verkehr zu beobachten. Zum einen gewinnen die Schleicher genug Vorsprung und zum anderen tut sich immer wieder eine verkehrsfreie Lücke auf. Bleiben noch die Motorradfahrer, welche mit waghalsigen Überholmanövern schon für so einige Schreckmomente gesorgt haben. Ja, auch meine Artgenossen betrachte ich mitunter als potentielle Mörder und fahre entsprechend aufmerksam auf den beliebten Motorradstrecken. Während man den zweirädrigen Suizidbombern im besten Fall noch irgendwie ausweichen kann, verhält es sich mit den vierrädrigen anders. Wenn dir so einer auf deiner Spur entgegenkommt, wird es sehr schnell sehr gefährlich. Deshalb bin ich dazu übergegangen mir gelegentlich die Zeit zu nehmen, ihnen hinterherzufahren und sie zur Rede zu stellen.


Suizidbomber zur Rede stellen


So geschehen diesen Sommer nahe Stans in der Zentralschweiz. Der Fahrer war wohl abgelenkt, nahm den Blick von der Strasse und gelangte auf meine Spur. Ich hatte gerade noch genug Platz um auszuweichen. Diesen unverschuldeten  Beinahecrash, welcher für mich sehr wahrscheinlich tödlich oder mit schwersten Verletzungen geendet hätte (80er Zone), wollte ich nicht auf mir sitzen lassen. Also ruckzuck gewendet, den Kamikazeflieger überholt, Warnblinker rein, ausgebremst, vom Motorrad abgestiegen, ans Fenster geklopft und in freundlichem Ton beschrieben, was ich eben erleben durfte.

Zu meiner Verwunderung hat der Faher davon nicht das Geringste mitbekommen.
Auf den Umstand aufmerksam gemacht, dass meine Gesundheit und mein Leben wichtiger ist als sein Handy, das Radio, der Schockoriegel, oder was auch immer ihn abgelenkt hat und dass er im Falle eine Unfalls sein eigenes Leben ebenfalls ruiniert, weil er für meine Rehabilitation aufkommen muss, reagierte der Faher unerwartet einsichtig und entschuldigte sich mehrmals reumütig. An dieser Stelle ist hervorzuheben, dass der Ton die Musik macht. Beschimpfungen mit Kraftausdrücken ausgeschmückt mögen zwar kurzfristig dem Unmut Luft machen und in vielen Fällen neigt man dazu, sich davon leiten zu lassen, sind aber alles andere als Zielführend. Auch wenn der Puls für einen kurzen Moment nach oben schiesst, sollte man sich den respektvollen Umgang in Erinnerung rufen, den man selbst von seinem Gegenüber erwartet.

Ich übe mich deshalb immer wieder darin, meinen Puls auf einem gesunden Niveau zu halten, obwohl der erste Gedanke jedem bekannt vorkommen wird: "Was für ein verf... Idiot!" Aber jeder Verkehrsteilnehmer, ja selbst der hinterletzte Drängler, Überholspurblockierer oder Kamikazeflieger ist auch ein Mensch mit Familie und Freunden.  Ein Mensch, der sich, wie man selbst auch, ein sicheres und zufriedenes Leben wünscht. Aus einer Unachtsamkeiten heraus entsteht ein lebensbedrohliches Risiko, doch nur sehr selten geschieht es mit Absicht. Wenn man in solchen Momenten Ruhe bewahrt und einander auf Augenhöhe begegnet, besteht Hoffnung, dass daraus Verständnis und mehr Aufmerksamkeit für uns Motorradfahrer entsteht. Sollte die Ruhe nicht weiterhelfen da man auf einen uneinsichtigen, sturen Besserwisser gestossen ist, kann man zur Not immer noch auf Beschimpfungen zurückgreifen. Das ist zwar nicht konstruktiv, aber tut trotzdem gut.  ;) In diesem Sinne, ride save!


Noch was aufs Auge


Vor einiger Zeit habe ich auf meinem Youtubekanal eine kleine Serie namens "Ooops" in Leben gerufen. Darin sind einige Situationen zu sehen, die ich in einem einzigen Jahr erlebt habe. Leider läuft die Kamera nicht immer mit, wenn ich auf  Verkehrsteilnehmer der besonderen Art treffe. Aber ein paar davon konnte ich immerhin auf Video bannen. Viel Spass und die Linke zum Gruss.




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